Montag, November 22, 2004

CSU-Parteitag - Mekka der Antiislamiten

>> www.inidia.de/antiislamiten.htm

Während in Köln mehr als 25.000 Menschen einem Aufruf von Islam-Organisationen folgten und gegen politischen Extremismus in den eigenen Reihen demonstrierten, kommt man nicht nach, um all den Schwachsinn adäquat zu kommentieren, mit dem sich bundesdeutsche Politiker in den letzten Wochen zu Lasten insbesondere gegen die muslimische Minderheit zu profilieren versuchen.

Im Bundesland der höchsten Berge verstiegen sich Veranstalter und Gäste des CSU-Parteitags auf die Gipfel der Geschmacklosigkeiten und trieben regelrechte Hetze. Fortlaufend wurde die Integrationswilligkeit angemahnt und damit Millionen Muslime des Gegenteils verdächtig gemacht.

Angela Merkel zeigte, dass auch sie so richtig hoch hinaus kann und diffamierte kurzerhand die multikulturelle Gesellschaft als "dramatisch gescheiterte Idee".
Der CDU-Vorsitzenden sollte vielleicht mal jemand erklären, was in Artikel 3 Grundgesetz drin steht, damit sie ihre verfassungsfeindlichen Sprüche unterlässt, denn manche "Idee" ist höchste Pflicht für unseren pluralistischen Staat.
Claudia Roth hat recht, wenn sie Deutschland eine multikulturelle Demokratie nennt und anmahnt, den "Islam nicht bloß als Gastarbeiterreligion zu tolerieren, sondern als Bestandteil unserer eigenen Kultur anzuerkennen."

Nur wenige Politiker erkennen, dass die Hysterie gegen "Hass-Prediger", "Parallelgesellschaft" usw. auf eine Demütigung von Muslimen anstelle von Integration hinausläuft. Franz Müntefering liegt mit solcher Kritik richtig.

Die Nachrichtentitel zeugen von den Lawinen, die jenseits gesicherter Pisten in die bewohnten Täler abgehen:

>>CSU fordert christlichen Patriotismus<<

Steht das in der Bergpredigt? Da kenn' ich sie besser - im beiderlei Wortsinn vom Besseren.
Man sollte solche Christdemokraten vielleicht mal mit qualifiziertem Religionsunterricht beglücken, denn offenbar bewährt sich nicht, was manche Anhänger des christlichen Glaubens an staatlichen Schulen an Lehren vermitteln.

>>CSU-Parteitag warnt einstimmig vor EU-Beitritt der Türkei<<

"Einstimmig" - das ist zumindest mal selten in Demokratien und demokratischen Parteien, gelingt meist nur dann, wenn sich Vereinigungen im Stellungskrieg gegen andere sehen.

>>CSU will Leitkultur für Ausländer<<

Dass Christen Freude an Auferstehung haben, ist allseits bekannt und könnte an sich eine schöne Sache sein, an der sich allenfalls hartgesottene Naturwissenschaftler stören, den die Fakten nicht reichen, aber dass nun auch die tot geglaubte "Leitkultur" wiederbelebt, muss nach dem Debakel im Jahr 2000 schon erstaunen und ist Beispiel, denn "Leitkultur" ist und bleibt ein Gaul auf Rollschuhen, wenn es in Europa einzig darum gehen kann, die Multikultur in friedliche Bahnen zu lenken.
Paul Spiegel und Schäuble irren nicht, wenn sie eine Neuauflage der Leitkultur-Debatte ablehnen.

>>Tradition und Toleranz - Union: Zuwanderer sollen sich stärker anpassen - Diskussion über Ghettos und Parallelgesellschaften<<

Zu dumm nur, wenn die Tradition und Toleranz zweierlei Paar Schuhe sind.

>>Stoiber fordert "selbstbewussten Patriotismus" der Deutschen<<

Wer Selbstbewusstsein fordert, sollte gute Gründe nennen, damit es keine Einbildung wird. Oder möchte Stoiber bei DVU-NPD abstoibern ohne etwas für die Vernunft zu tun?

>>CSU will christliche Tradition offensiver verteidigen<<

Stattdessen sollte vor "offensiver Verteidigung" gewarnt werden, wie es sich aus dem Irak-Krieg schmerzlich lernen lässt.
Wieder muss daran erinnert werden, dass zur "christlichen Tradition" die Kreuzzüge, Inquisition und Kolonialisierung gehören, also Beispiele für
äußerste Intoleranz und Dimension, von der sich das Christentum nur emanzipieren kann, indem es sich zum selbstkritischen Urteil gleichermaßen bekennt wie zu ihren Vorzügen, die allerdings keine Worthülsen dürfen, sondern Taten der Nächstenliebe, an denen Christen es übrigens auch nicht gegenüber "Hasspredigern" fehlen lassen dürften.

Und die SPD?

Aber wer nun durch solche Titel-Auswahl glaubt, dass die antiislamitischen Hassprediger nur auf den Unionspisten rodeln, der soll wissen, dass SPD-Politiker kaum anders jodeln, denn man bangt um jedes Prozent, das man auch aus den Wandervereinen der Vorurteile braucht, anstatt einfach mal bessere Wege zu weisen:

>>Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will islamische Geistliche, die als Hassprediger auffällig werden, schneller abschieben<<

Die Abschieberei von Ungeliebten hat in Deutschland recht unrühmliche Tradition. Auch davon sollte niemand Heil erwarten. Was macht es für Sinn, wenn man Hassprediger auf den Hindukusch abschiebt, wenn sich Deutschland dort nach Strucks Ansicht mit dem Gewehr verteidigt werden muss, während nördlich der Alpen Hass-Gesellen mit Gesetzesworten bekämpft werden können?

Ob einer rein darf nach Deutschland, sollte nicht eine Frage des Charakters abhängig sein, sondern von Zuwanderungsregeln, die nicht mit dem Strafrecht verquickt sein dürften.

>>Schily: Einwanderer müssen Deutsch lernen<<

Gegen solch Forderung spricht, dass solch Lernen auch ein Problem von Möglichkeiten und Informationsangebot ist, denn nach 40 Stunden Opel fällt jedem Lernen schwer und wenn es an Arbeitsstunden bei Opel fehlt, dann dient das Erlernen der deutschen Sprache allenfalls beim Ausfüllen von Sozialhilfeanträgen.

>>Aus Schilys Sicht sollten Einwanderer Deutsche werden<<

"Deutsch" werden die Zuwanderer nur, wenn sie eine Perspektive darin erkennen. Dazu braucht es keine Appelle, sondern Perspektive weisende Politik, an der es Regierung und Opposition gleichermaßen und zwar für Deutsche und Nichtdeutsche fehlen lassen.

Und der Regierungschef?

>>Schröder fordert von Zuwanderern Integrationswillen<<

Aber wo ein Wille ist, ist längst noch immer kein Weg, wenn er von jenen vermint wird, die das Sagen im Land haben, denn Integrationswille ist keine einseitige Veranstaltung, sondern stets ein Ding aus Gegenseitigkeit, kommt abhanden oder bestätigt sich, je nach dem, ob es die Menschen weiter bringt oder ob sie aneinander scheitern. Solche Appelle an eine Seite gehen immer daneben, weil sich dann die andere Seite zurücklehnt.

Also schreiben wir den christlichen Demokraten mal wieder ins Merkelbuch:

1. Multikultur ist nicht einfach nur "Idee", sondern Grundgesetz und aller Politik hohe Pflicht.
>> www.inidia.de/multikultur.htm

2. Integration scheitert nicht an muslimischer Unwilligkeit, sondern hat ihr Haupthemmnis eher in unzureichender Fähigkeit der Mehrheit, einen gemeinsamen Integrationswillen zu bestätigen und zu entwickeln.
>> www.inidia.de/integration.htm

3. Wer in Sachen multikultureller Verständigung unterwegs ist, der kann kaum wieder gutmachen, was zur Zeit an Brunnenvergiftung geschieht.

-sven-